Goemon5: Blog Tagebuch

Goemon5 in Norway

Goemons Gruseliges Tagebuch

In dieser Ecke werde ich in unregelmäßigen Abständen (sobald ich eine Eingebung habe und über die Zeit verfüge dieser zu folgen) markante Erlebnisse meines bescheidenen Lebens niederschreiben.

 Die zeitliche Abfolge folgt übrigens den geologischen Regeln: die ältesten Daten befinden sich im liegenden (unten) und da die Geschichten teilweise aufeinander aufbauen, sollten sie von unten nach oben gelesen werden.
Texte von 2006 und 2007 befinden sich hier.

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Samstag

19.12.2009

Studienabschluss, schwer gemacht

Es erheitert mich immer wieder, über meinen arrogant-arbeitsscheuen Neffen zu hören. Gemeint ist freilich das angeheiratete Erbgut welches meiner großen Schwester aus erster Ehe ihres Gatten an den Ringfinger gekleistert wurde. Sie kann also eigentlich nix für dessen Unfähigkeit, obschon es unter ihrer Regie schon ziemlich merkwürdig zugeht … Doch zurück zum anverwandten Kapitalversager namens Raelm. Dass der Typ Feuerwehrmann werden wollte, habe ich möglicherweise schon mal erwähnt. Wenn nicht, holte ich diese Kurzinfo im letzten Satz nach. Für eine Weile schien es sogar als würden sich die Wünsche von Grisu dem Feuerwehrdrachen erfüllen. Doch dann löschte die Realität jene polemischen Träume erbarmungslos aus.

Alles begann mit einem harmlosen Bachelor-Studium im Bereich Industrie und Brandschutz. Dass die Industrie selbst mit modernsten Techniken jene Großbrände nicht löschen kann die ihr virtuelles Kapital in den Chefetagen der Banken verfeuert, dürfte seit Beginn des Jahres jedem klar sein. Doch die Berufsfeuerwehr verlangt nun mal eine fertig eingetütete Berufsausbildung oder zumindest ein abgeschlossenes zweckdienliches Studium, um dahergelaufene Löschwasser-Fans in ihren geschlossenen Bund der Rotkappen aufzunehmen.
Unser Aushilfs-Grisu studierte also rund vier Jahre lang wild herum, inklusive ausgedehnten Langschlaf-Ferien und freiwilligen mehrmonatigen Aufenthalten auf Papis Sofa daheim. Ein ganz normales Arbeitslosenleben also, nur halt ohne die nervigen Pilgertrips zum Arbeitsamt; schließlich finanzieren einem blauäugige Ärzte-Papis schon mal das gesamte Studium, wenn man alle paar Monate wieder einen gültigen Kursnachweis erbringt. Das muss ja nicht einmal eine akzeptable Note sein, in der Regel reicht die Bestätigung über erfolgreiche Teilnahme am Seminar für freiwillige Aktenordner völlig aus, um das Gewissen eines verzweifelt gutmütigen Familienvaters zu beruhigen. Ja, die Last des Arztalltags vermag wahre Wunder zu verbringen. Da sinken die akademischen Erwartungen schon mal auf ein Niveau das selbst von freiberuflichen Legasthenikern erfüllbar ist. Im Herbst dieses Jahres winkte unserem Brandschutzschläfer nach vier Jahren ergebnisfreiem Studium dann gar der lang ersehnte Einstieg ins Berufsleben.

Unverhofft kommt oft. Und so wurde bei unserer ortsansässigen Feuerwehrstation im Spätsommer der Posten für einen willigen Berufseinsteiger frei. Unglückliche Umstände verhalfen dem Möchtegern-Grisu zu einer Dreiecksbeziehung zwischen Bürgermeister, Feuerwehrwachtmeister und dem hoffnungsvollen Vater des Langschlaf-Studenten. Der junge Eimerhalter Raelm ist unserer Berufsfeuerwehr schon länger bekannt, da er dort immer freiwillig Schläuche entknotet und die Unterböden von Löschfahrzeugen entkeimt; also jene Aufträge wahrnimmt, die rund zweieinhalb Stiefellängen unter dem Niveau von gewöhnlichen Reinigungskräften liegen. Nun kannten die Spritzwasserträger also unseren Grisu, und dessen Drachenvater war wiederum mit unserem einfältigen Bürgermeister befreundet. Und da letzterer offiziell für die Besetzung solcher öffentlicher Posten verantwortlich ist, und weil ihm ganz offenbar die generelle Unfähigkeit des Hobby-Studenten nicht bekannt war, darum wurde der transmorphe Jungdrache Raelm als Feuerwehrmann eingestellt. Diese verhängnisvolle Entscheidung wurde allerdings mit zwei Auflagen verbunden.

Zum einen wurden zwei Sporttests gefordert, was bereits für den gewöhnlichen Durchschnittsstudenten eine ungeheuerlich schwere Leidensprüfung darstellt und für Bewegungslegastheniker Raelm umso mehr zur unüberwindbaren Mauer gerät. Unnötig zu erwähnen, dass der erste Anlauf zu jenem Fitnessnachweis in einem desaströsen Wettkampf gegen fallende Augenlider geriet. Von jedem anderen Sozialschmarotzer hätte man in Folge jenes sportlichen Martyriums allerdings eine gewisse Trainingsbereitschaft erwartet; zumindest wenn man bedenkt, dass dem ungeübten Löschdrachen jener Traumberuf geradezu hingeworfen wurde, im Komplettpaket mit Langzeitanstellung und generöser Bezahlung. Nicht so unser Träumer Raelm, der seine körperliche Ertüchtigung auf das Stemmen der Fernbedienung und ausgedehnte Spazierfahrten zwischen daheim und Studienwohnung beschränkte. Der sportliche Nachtest ging also ebenfalls völlig in die Hose. Ein geringer Trost blieb Raelm allerdings: noch nie zuvor hatte der Testrichter einen Teilnehmer erlebt der nach einer derart langsamen Erstzeit beim Nachtest nicht schneller, sondern gar wesentlich langsamer gewesen wäre. Es gibt für alles ein erstes Mal …

Die zweite, wenn mittlerweile auch relativ unbedeutende, Bedingung zur Aufnahme in die Berufsfeuerwehr unserer halbschönen Stadt war der erfolgreiche Abschluss des Brandwächter-Studiums, was sich inzwischen wohl ebenfalls erledigt hat. Zwischen täglichen Stemmübungen an der Fernseh-Fernbedienung und nächtlichen Trainingseinheiten am Computerbildschirm blieb nämlich herzlich wenig Zeit für Lerneinheiten. Blöd nur, dass diese bornierten Universitätsflegel nach der gut sechsmonatigen Abwesenheit Raelms dennoch eine jener mündlichen Prüfungen einforderten die ihrer Meinung nach zur Komplettierung des Bachelor-Studiums notwendig sind.
Es sollte nicht weiter überraschen, dass der habwüchsige Grisu in jener ersten Prüfung ausschließlich durch körperliche Anwesenheit glänzte, während von geistiger Gegenwart eher weniger bis nichts vernehmbar war. So fügt sich am Ende alles zusammen und wenn unser legasthenischer Eimerträger noch eine weitere von vier folgenden Abschlussprüfungen vergeigt, woran meiner bescheidenen Meinung nach nicht der geringste Zweifel besteht, dann ist das Studium wohl vorzeitig beendet, auch ohne dass sich Raelm um die unglaublich aufwendige Bachelorarbeit kümmern müsste, die er bereits seit einem Jahr vor sich herschiebt.

Scheinbar sind die Anforderungen der Hochschulen in den wenigen Jahren seit meiner Diplomierung unermesslich in die Höhe geschnellt. Ich musste zu meiner Zeit keine vier unglaublich harten mündlichen Prüfungen mit positivem Ergebnis beschließen und auch keine Bachelor-Arbeit mit einem Gesamtarbeitsaufwand von sechs Wochen einreichen. Für mein Diplom war es völlig ausreichend, eine Handvoll Kurse zu bestehen (insgesamt etwa 315 Semesterwochenstunden), und zwar alle im ersten Anlauf, acht mündliche Prüfungen mit Bestnoten zu besiegeln, gut ein Dutzend Geländepraktika zu verarbeiten, zweieinhalb Monate Berufserfahrung nachzuweisen und eine geologische Kartierung, sowie eine Diplomarbeit abzugeben, beide mit einem Arbeitsaufwand von etwa einem Jahr wissenschaftlicher Arbeit. Ach ja, das waren noch sorgenfreie Zeiten …

Eigentlich würde ich das fast gesicherte und völlig unberechtigte Ableben der beruflichen Träume meines arbeitsscheuen Neffen gern mit einer Dose Mitleid begießen, aber obschon Getränkedosen in meiner temporären Wahlheimat Kanada weiterhin im Umlauf sind, habe ich jener Verpackung aus energetisch-umweltschonenden Gründen bereits vor langer Zeit abgeschworen. Und da ich gerade auch keine Zeit mehr habe mich mit dem Thema eingehender auseinanderzusetzen, folgt hier nun eine klare Ansage an alle Konsumsüchtigen unter euch.
Bis demnächst im Öko-Laden!

Die passende Website inklusive weiterführenden Informationen und weiteren Videos mit Untertiteln in zahlreichen Sprachen gibt es übrigens hier: The Story of Stuff.

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