Montag
10.11.2008 |
Castor kommt
Wenn an einem regnerischen Novemberwochenende tausende Menschen auf Bahngleisen
herumlümmeln, kleine Hüttendörfer auf Bundesstraßen errichten,
mit Bussen und Traktoren ganze Städte blockieren und Signalanlagen der
Deutschen Bahn mit Brandbomben bewerfen, dann hat nicht etwa Tokyo Hotel mit
einem Vorweihnachtskonzert gedroht oder Mehdorn neue Preissteigerungen angekündigt.
Vielmehr geht der jährliche Castor-Transport wieder auf Deutschland-Tournee
und wird in allen atomaren Ehren empfangen.
Personalmangel
Allein in Gorleben protestierten rund 15.000 Atomkraftgegner mehr oder minder
friedlich vor sich hin. Da jene aber nur die Speerspitze einer anti-nuklearen
Phalanx sind, war das halbe Polizeiaufgebot der Bundesrepublik das Wochenende
über mit Sicherungsmaßnahmen für den Mülltransporter aus
Frankreich beschäftigt. Die aus technischer Sicht wohl opulenteste Aktion
gelang am Samstag drei Demonstranten an der französischen Grenze. Sie ketteten
sich an die Gleise und betonierten sich zudem ein, was den Polizeichef fünf
Liter Baldrian-Tee und die Einsatzkräfte einen ganzen Tag Arbeit kostete.
Schließlich mussten die Betonblöcke aufgebrochen, beseitigt und das
Gleisbett neu aufgefüllt werden. Dieses Kosten-Nutzen-Verhältnis muss
erst mal jemand toppen! Da naturgemäß noch weitere Blockaden beseitigt
werden mussten, wurde den Sicherheitstruppen bis heute nicht langweilig, stattdessen
sind sie noch immer mit Losketten, Verladen, Passanten schieben und Auflösen
von Sitzblockaden beschäftigt. Nebenher verzeichnete man noch ein paar
Raufereien und niedere Gewalttaten, allerdings sind die Beamten durch NPD-Kundgebungen
und Sommerschlussverkäufe wesentlich härtere Ausbrüche gewohnt.
Momentan ist man rund zwanzig Stunden im Verzug, aber das lässt sich sicher
noch steigern! Letztes Jahr hat der Castor-Transport fast 20 Millionen Euro
gekostet, dieses Jahr wird es wohl etwas mehr werden.
Allein die Deutsche Bahn klagt über neun Bahnanlagen die innerhalb einer
Stunde durch Brände und ausufernde Gewaltmaßnahmen beschädigt
wurden. Das klingt nach einer gut organisierten Aktion und legt den Verdacht
zielgerichteter Anschläge nahe. Laut Bahnsprecher sorge die Störung
der Signalanlagen für etwa 1300 verspätete und 137 ausfallende Züge.
(Als ob die Bahn ohne externe Störungen pünktlich wäre!) Da waren
selbst die uniformierten Beamten keine Hilfe.
In der Tat sind die Freunde und Helfer der Bundesrepublik derart unterbesetzt
und überfordert, dass an diesem Wochenende sogar mehrere Fußballspiele
abgesagt werden mussten, wodurch sich das Sicherheits-Dilemma auf vormals nicht
betroffene Bereiche des öffentlichen Lebens ausdehnt. Die entsprechenden
Vereine haben natürlich lautstark protestiert, aber wie jedermann weiß,
trauen sich selbst Drittliga-Kicker nicht mehr ohne Personenschutz auf den Rasen,
was das Durchsetzungsvermögen der Polizei stark erhöht.
Deutsche Motivation
Warum lagern wir eigentlich Frankreichs Atommüll? Die Froschfressrer verarbeiten
doch 95% ihres Abfalls zu Atombomben, mit denen sie dann Atolle und Inseln in
Mittelmeer und Atlantik sprengen. Sicher freue ich mich, wenn die Idioten aus
der Nachbarschaft mit ihrer steten Verseuchung der Meere aufhören, aber
muss man das Zeug wirklich zu uns schicken? Soll Sarcozy seinen Unrat doch unter'm
Bett verstecken! Es gibt weltweit kein einziges Endlager für stark Wärmeentwickelnden
radioaktiven Müll. Gorleben zeigt auch überdeutlich warum sich dieser
Umstand zeitnah nicht verändern wird. Hartmut Meine, Bezirksleiter der
IG Metall Niedersachsen, fasste das Problematikum recht treffend zusammen: "Die
skandalösen Vorfälle im Salzbergwerk Asse lassen nur einen Schluss
zu: Eine sichere Lagerung von Atommüll ist nicht möglich, daher ist
der Ausstieg aus der Atomenergie unabdingbar." Immerhin war Asse II das
internationale Vorzeigeobjekt bei der Endlagerung, zeigte sich in den vergangenen
Monaten aber eher als unkontrollierte Schleuder radioaktiver Wässer, wo
unter Ausschluss der Öffentlichkeit hochradioaktive Kontaminate lustig
durch die Stollen geschaufelt wurden.
Politik trifft auf reale Hindernisse
Dennoch möchte die Koalitionsregierung und ganz besonders die CDU gern
von ihren Versprechen zum Atomausstieg absehen. Zwar hat man bereits vor drei
Jahren versichert, innerhalb der laufenden Legislaturperiode würden zwei
deutsche Kraftwerke vom Netz gehen, aber unter aktuopolitischen Gesichtspunkten
spart man sich die Aktion doch lieber für eine fernere Zukunft auf. Klar,
die Koalition hat in den letzten Jahren schließlich nix vorbereitet um
die wegfallenden Kraftwerkleistungen zu ersetzen. Konnte ja niemand ahnen, dass
bei den Versprechen zum Amtsantritt jemand mitschreibt! Auch Pläne für
Demontage oder Entsorgung der nuklear verseuchten Anlagen existieren nicht.
Entsprechend ungehalten sind die Gegner der Kernenergie. Das sind aber eigentlich
ebenfalls totale Trottel. Haben sie doch wirklich geglaubt, die Koalition wäre
an der Zukunft ihres Volkes interessiert. Würde man die Langzeit-, Entsorgungs-
und Lagerungskosten jenes Energiezweigs in die Endrechnung mit einkalkulieren,
müsste man den Preis für Atom-Strom mindestens verhundertfachen, was
wiederum mehrere Arbeitsplätze und somit tausende Beamtenprovisionen gefährdete.
Das kann doch niemand wollen?!
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