Samstag
1.11.2008 |
An der Nahrung gedreht
Es ist Samstag und Allerheiligen, welch glücklicher Umstand. Gedenken
wir also aller Heiligen dieses verkorksten Planeten und beginnen mit der heiligen
Missionierung menschlichen Gedankenguts. Was auf dem Spiel steht dürfte
nach vergangener Berichterstattung über energy (r)evolution und Living
Planet Report 2008 relativ klar sein, aber ich wiederhole es gern noch einmal:
wir brauchen eine funktionierende Umwelt mehr als sie uns. Doch stirbt sie uns
weg, schneller als jedes Klimamodell es berechnen könnte. Selbst bei stagnierender
industrieller Entwicklung (was mit Blick gen Asien ziemlich utopisch ist) haben
wir spätestens 2040 eine sehr karge und farblose Erde. Es ist daher notwendig,
den weltlichen Dünkel der Ignoranz zu brechen und sich langsam für
den Erhalt der eigenen Zukunft einzusetzen. Denn 2040 ist für die meisten
von uns eine Zeitperiode in der wir die ältere, erfahrene Generation darstellen.
Die Generation, die das Ruder herumgerissen hat oder jene, die es final verbockt
hat, das ist eure Entscheidung. Bedenkt, dass es nicht um irgendwelche Wirtschaftsprognosen
oder Regenwaldtierchen geht, sondern um eure persönliche Zukunft!
Da heute passenderweise auch Weltveganertag ist, fangen wir doch gleich mal
bei der Ernährung an. Ich habe keine Ahnung, wer sich diese speziellen
Feiertagsbezeichnungen immer ausdenkt oder was die Leute dazu treibt, sie zu
überlagern, aber wir müssen wohl einfach das Beste draus machen. Jedes
Jahr hat mindestens 365 Tage, das vorliegende sogar einen mehr. Reichlich Platz
für Gedenktage, aber anscheinend plant man für die Zukunft vor und
sichert sich schon jetzt die größeren Festtage, damit man später,
wenn der Andrang steigt, eine bessere Position hat. Wie auch immer, Ernährung
ist ein wichtiges Thema, gerade wenn man so wenig Zeit darauf verwendet wie
wir Zocker.
Fleisch vs. Pflanze
Den Kern dieser Angelegenheit bildet die Erkenntnis, dass jeder heterotrophe
Organismus nur einen Teil seiner eingenommenen Nahrung in Wachstum umsetzt.
Bei einem Schwein entfallen zum Beispiel rund 90% des Inputs auf Stoffwechsel,
Wärmeproduktion, Muskelbewegungen, Verdauungsprozesse, Synapsenaktivierung,
Knochenaufbau und andere Lebenserhaltenden Maßnahmen. Von 10 kg Getreide
landen letztendlich nur 450 g Kotelett auf dem Teller. Wenn wir dieses Verhältnis
auf einen typischen Metzgerbesuch übertragen, habe ich die Wahl zwischen
zwei Kilo Hafer und einem kleinen Steak. Nüchtern betrachtet, ernähren
mich die 90 g Fleisch nur dann, wenn ich noch Kartoffeln und Rotkraut dazu kaufe,
was nebenher bemerkt auch für eine langfristige Aufrechterhaltung der Proteinversorgung
bürgt.
Wat der Bauer nicht kennt, frisst er nich'
Hat mal jemand versucht 2 kg Getreide zu essen? Also nicht roh und kernig, da
scheue ich auch zurück. Aber als Bratling, Gebäck, Suppe, etc. lassen
sich Hafer und Dinkel schon sehr lecker verarbeiten. Die meisten kennen das
nur als Fertigbratling aus dem Kühlregal und das schmeckt zweifelsohne
oft unangenehm. Aber als Vollweizennudeln mit Tomatensauce, Grünkernbratlinge
mit Dillsauce, Apfelklöße, Reibekuchen oder Paprika-Chili-Frittata
macht das Korn schon was her. Mein persönlicher Favorit ist Haferschleim.
Sieht noch schlimmer aus als der Name es erahnen lässt, riecht über
die Maßen uninteressant, schmeckt aber mit Zitronenpfeffer und Sojasauce
wirklich super. Getreide ist meiner Meinung nach die ideale Möglichkeit
das Kochen zu erlernen, weil man nicht viel falsch machen und zumeist ewig nachwürzen
kann.
Die Welt in Zahlen
Der Durchschnittsdeutsche verschlingt im Jahr etwa 60 kg Fleisch, umgerechnet
über ein Kilo pro Woche. Selbst wenn man großzügig rechnet und
die Tonnen von Sägespänen, Tiermehl und Sonderabfälle mit einbezieht,
die deutsches Schlachtvieh heutzutage verabreicht bekommen, kommt man somit
auf etwa 20 kg Getreide pro Woche, wenn man auf das Fleisch verzichtet. (Für
Hühner werden inzwischen Projekte erprobt in denen dem Federvieh der eigene
Kot mit bis zu 40% Anteil in die Nahrung gemischt wird, was das Verhältnis
freilich noch einmal aufhellen kann, allerdings auch nicht in ewigem Kreislauf
funktioniert.) Ich persönlich kenne niemanden der täglich drei Kilo
Weizen verdrücken könnte, für gewöhnlich gereichen pro Person
und Mahlzeit etwa einhundert Gramm. Das heißt, der geneigte Veganer hat
kaum ein Fünftel des Nahrungsmittelverbrauchs eines durchschnittlichen
Fleischessers.
Wo führt das hin? Natürlich zu einer wesentlich geringeren Anbaufläche.
Grafik 1 zeigt den Flächenbedarf diverser Nahrungsmittel, was unter Verrechnung
des Nährwerts in Grafik 2 resultiert. Schlussendlich kann Agrarland mindestens
fünfmal so viele Menschen ernähren, wenn man das Grünzeug schonend
zu schmackhaften Gerichten verarbeitet, anstatt es umständlich an Rinder,
Schweine und Hühner zu verfüttern. Das Ergebnis ist klar: der moderne
Mangel an Lebensmitteln in ein gesellschaftliches Phänomen. Eigentlich
haben wir Nahrung für die fünffache Anzahl an Menschen. Wir müssten
uns nur umstellen (und kochen lernen).
energy (r)evolution
Da unser eigentliches Ziel ja die Senkung der Treibhausgasemissionen ist, wollen
wir auch diesen Teil der Veganie beleuchten. Die unsäglichen Methan-Ausstöße
von Rindern sollten hinlänglich bekannt sein. Mein Hund weiß die
olfaktorischen Qualitäten von Kuhdung zwar zu schätzen, aber wenn
er sich mal wieder geruchlich für seine Rehpirsch damit tarnt, wird er
anschließend drei Tage lang nicht gestreichelt, das sagt schon einiges.
Grafik 3 stellt die Treibhausgas-Emissionen mehrerer Nahrungsmittel dar. Hier
wurde allerdings nicht der Nährwert mit eingebracht, bei den veganen Feldern
wären sonst gar keine Unterschiede mehr sichtbar. Rechneten wir diesen
mit hinzu, müssten wir wieder fünf multiplizieren. Mal sehen, Grundemission
von einem Kilo veganer Kost: fast 1000 g/kg, karnivor: gut 5000 g/kg. 5000/1000*5=25.
Fazit: Fleischfresser provozieren mehr als den 25fachen Treibhauseffekt den
der gemeine Pflanzenfresser inne hat. Wir können also, allein durch die
Wahl der Nahrungsmittel, die negative Auswirkung auf unsere Umwelt um ein Vielfaches
reduzieren. Na gut, ihr könnt, ich hab schon.
Gegenargumente
Ich kenne kein einziges Stichhaltiges Argument, das gegen eine Umstellung der
Ernährungsweise auf vegan sprechen würde. Nennt mir eins, ich wiederleg's
euch! Ganz besonders blöd sind, bei näherer Betrachtung, die Gesundheits-Einwände.
Eine ausgewogene pflanzliche Ernährung stellt wesentlich mehr Aminosäuren,
Ballaststoffe und Vitamine zur Verfügung als das fleischliche Äquivalent.
Und Fette kann ich nun wirklich selbst synthetisieren. Außerdem entspringen
sehr viele Zivilisationskrankheiten mitunter dem Fleischverzehr (Diabetes, Gicht,
Fettleber, Wasserablagerungen, Rheuma, Allergien, Stoffwechselstörungen,
Herz- & Kreislauferkrankungen, etc.). Und vor BSE, Vogelgrippe, Gammelfleisch
und ähnlichen muss ich mich auch nicht gruseln.
Ich habe mich vor zwei Jahren auf ein veganes, selten auch vegetarisches Leben
umgestellt und kann körperlich bislang keine Veränderungen feststellen.
Ferner habe ich beim Essen immer ein gutes Gewissen. Und ich esse eigentlich
permanent. |