Goemon5: Blog Tagebuch

Goemon5 in Norway

Goemons Gruseliges Tagebuch

In dieser Ecke werde ich in unregelmäßigen Abständen (sobald ich eine Eingebung habe und über die Zeit verfüge dieser zu folgen) markante Erlebnisse meines bescheidenen Lebens niederschreiben.

 Die zeitliche Abfolge folgt übrigens den geologischen Regeln: die ältesten Daten befinden sich im liegenden (unten) und da die Geschichten teilweise aufeinander aufbauen, sollten sie von unten nach oben gelesen werden.
Texte von 2006 und 2007 befinden sich hier.

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Mittwoch

29.10.2008

99.000 Luftballons

Korea ist nicht nur die Heimat der besten Starcraft-Spieler, sondern auch Schauplatz der imposantesten Trennungsaffäre seit dem Berliner Mauerbau. Nur wird hier nicht von Mauerschützen auf Republik-Flüchtlinge geschossen, sondern mit Haubitzen auf Dörfer. Seit letztem Jahr gibt es allerdings eine Feuerpause, weil sich die verfeindeten Staatsregime über eine gemeinsame Zukunft zu unterhalten begannen, wobei der ständige Lärm fliegenden Projektile, Raketen und Bomber als sehr lästig empfunden wurde. Wie das aber bei interregionalen Verhandlungen so ist, kam immer mal was dazwischen. Im Februar gebar Südkorea einen neuen Präsidenten, Lee Myung-bak, der sich leider noch nicht perfekt in seine Rolle als Friedensvermittler fügen konnte. Im August verschwand dann auch noch der nordische Oberkoreaner Kim Jong Il, was seitdem weltweit heftige Spekulationen über dessen Verbleib und Gesundheitszustand hervorrief.

Unverantwortliche Akteure einer südkoreanischen Bürgerrechtsbewegung haben nun trotz wiederholter Warnungen seitens ihrer Regierung in Seoul erneut ein Informationsblatt veröffentlicht, welches sich mit den mutmaßlichen Krankheiten und Zukunftsaussichten von Jong Il beschäftigt. Um ihre nordkoreanischen Freunde nicht vom Informationsfluss ausschließen, banden sie rund 100.000 Flugblätter an Heliumballons und entsandten sie über die Grenze. Das Militär-Regime zeigte sich bestürzt ob dieser intensiven Dichte von Fehlinformationen, schließlich hat man bestimmt gute Gründe, um Aufenthaltsort und Zustand des mutmaßlich todkranken Machthabers zu verbergen. Die öffentliche Reaktion aus Pjöngjang fiel dementsprechend diplomatisch aus und entspricht in vollem Umfang dem unbeschreiblich einfühlsamen völkerrechtlichen Kommunikationsvermögen, welches sich der sonst nüchtern strukturierte Staat in direkter Folge seiner langjährigen Konfliktbetrachtungen mit den südländischen Nachbarn angeeignet hat: "Wir bekräftigen unsere Haltung, dass wir eine entschlossene praktische Aktion unternehmen werden, wenn das südkoreanische Marionettenregime weiterhin Flugschriften verbreitet und die Lügenkampagne mit reinen Fantasiegespinsten fortsetzt."

Um weiteren Missverständnissen vorzubeugen, wurde auch gleich verlautet, wie man sich derlei praktische Aktionen vorstellen könne: "Das Marionettenregime sollte sich klar darüber sein, dass unser progressiver Präventivschlag es nicht nur unter Feuer nehmen, sondern alles in Trümmer legen wird, was gegen unsere Nation und die Wiedervereinigung ist." Nun wissen wir dank Nena bereits zur Genüge, was eine Schar Luftballons alles anrichten kann. Ich sehe mich daher in der Pflicht, den Bürgerrechtlern dringend von weiteren Flugblättern abzuraten. Soviel Aufwand ist die Wiedervereinigung jahrzehntelang getrennter Familienverbände auch gar nicht wert, wie man hierzulande ebenfalls weiß. Im ersten Moment mag die Freude über Zusammenkunft, Reisefreiheit, Medienvielfalt, Verfügbarkeit internationaler Waren und Verbreitung selbst gestrickter Meinungen ja groß sein, mit der Zeit findet sich aber immer der eine oder andere Aspekt, den die feudale Militärjunta dem demokratischen Kapitalismus voraus hat.

Hier treffen zwei sehr unterschiedliche Welten aufeinander: der demokratische Süden hätte gern seinen Kontakt mit den nordischen Brüdern zurück, drängt also auf einen baldigen Zusammenschluss, wobei es auf das permanente Gewehr- und Raketen-Gefuchtel gern verzichten würde. Auf der anderen Seite der Grenze steht ein ebenso Kooperations-motiviertes Volk, dessen Führung allerdings im Falle eines Grenzverlustes seine Macht fast zur Gänze verlieren würde. Momentan bewachen ein paar tausend US-Soldaten die innerkoreanische Teilungslinie, aber dass jene nicht immer die gesamte Bandbreite diplomatischer Lösungen ausschöpfen, sollte inzwischen hinlänglich bekannt sein. Vielleicht befinde ich mich Kraft eigener Arroganz wieder einmal im Irrtum um die interkulturelle Völkerverständigung, aber Frieden wird nun doch eher selten durch Interkontinentalraketen erzeugt. Die Lösung des Problems ist mir so unbekannt wie die Lottoergebnisse der nächsten drei Wochen, aber ich tippe mal ganz frech auf "Dialog".

Die Klimarettung ist möglich

Vorgestern veröffentlichte Greenpeace International in Kooperation mit dem European Renewable Energy Council (EREC) den Bericht energy (r)evolution. Der Report zeigt, wie das globale Energiemanagement umstrukturiert werden muss, um unseren steigenden Energiebedarf zu decken und gleichzeitig den Schadstoffausstoß massiv zu senken. Er wurde von Wissenschaftlern erarbeitet, auf die momentane Situation und die Bedürfnisse einer globalen Gesellschaft abgestimmt und steht somit auf sicherem Fundament.

Erkenne das Problem!
Die Grundlage bilden einige Erkenntnisse die heutzutage nur noch von Lobbyisten, Denkfaulen und Veränderungs-Geängstigten dementiert werden. Das irdische Klima befindet sich in starkem Wandel, welcher durch Treibhausgase und Ausbeutung natürlicher Ressourcen bedingt wird. Die industrialisierte Gesellschaft forciert somit eine schnelle unkontrollierte Wandlung der globalen Bedingungen, was sich in ganz alltäglichen Dingen wie Wetter, Jahreszeiten, Naturextremen, Nahrungsmittelqualität, Wassertoxizität, Gesundheit oder Abundanz von Wildtieren widerspiegelt. Die radikalen Veränderungen beschränken sich weder auf bestimmte Regionen und Breitengrade, noch auf determinierte Bevölkerungs-, Tier- oder Pflanzengruppen oder einzelne Aspekte wie Temperatur oder Wasserverfügbarkeit. Die Auswirkungen sind in Bezug auf die globale Mehrheit definitiv schlecht und nicht vorhersehbar. Das Ökosystem Erde ist ein verworrenes Netzwerk aus vielschichtig wechselseitigen Beziehungen und niemand kann behaupten, diese Verbindungen vollständig zu verstehen. Die Australier haben beispielsweise mehrmals versucht, in ihre Natur einzugreifen und es haben sich jedes Mal Komplikationen ergeben die die Situation weiter verschlimmert haben (Stichwort Kaninchen oder Ochsenfrosch). Daher ist der einzige Schritt, der zu einer zukunftsträchtigen Gesellschaft führen kann, die auch in zwanzig Jahren noch einen ähnlichen oder besseren Lebensstandard pflegt, der Schritt zurück. Der refraktär gerichtete Schritt ist der einzige von dem wir glaubhaft behaupten können, seine Auswirkungen halbwegs erforscht zu haben. Die Welt verändert sich permanent zum Schlechteren und wer offenen Auges durch den Alltag schreitet, wird diesen Fakt kaum ignorieren können.

Der Plan
Aufbauend auf der Analyse historischer Entwicklungen, diversen Zukunftsmodellierungen und in Anbetracht der momentanen Möglichkeiten von Markt, Gesellschaft und Technik ersannen die Experten von EREC und Greenpeace ein Maßnahmenpaket mit dem der wachsende Energiebedarf gedeckt und gleichzeitig der Ausstoß an Klima-alterierenden Substanzen verringert wird. Die Kernpunkte des Paketes sind wie folgt formuliert:
- Vollständige Anwendung erneuerbarer/nachhaltiger Lösungen, insbesondere durch dezentralisierte Energiesysteme

- Die natürlichen Grenzen der Umwelt respektieren

- Gradueller Abbau der Nutzung nicht regenerativen Energieressourcen

- Stärker ausgeglichene Ressourcennutzung

- Ökonomisches Wachstum vom Konsum fossiler Brennstoffen trennen

Gute Aussichten
Ziel dieser Maßnahmen ist ein verringerter Energieverbrauch bei gleichzeitigem Ausgleich des Lebensstandards auf ein angenehmes, obschon nachhaltiges Niveau. Nach dem vorgeschlagenen Modell kann bis 2050 der Status Quo erreicht werden. Dies bedeutet einen Stillstand klimatischer Veränderungen in vierzig Jahren! Ich bitte zu beachten, dass andere Projektionen für den gleichen Zeitraum das komplette Abschmelzen sämtlichen Oberflächen-Eises, unwiederbringliche Landschaftsverluste und die Etablierung verheerender Naturkatastrophen vorhersagen! Die notwendigen Veränderungen setzen keine großen Komfortverluste des Einzelnen voraus, sondern beruhen hauptsächlich auf einer konsequenten Anwendung und Weiterentwicklung moderner, umweltschonender Techniken in Industrie, Verkehr, Haushalt und weiteren Bereichen. Das bedeutet natürlich auch Verzicht, beispielsweise auf weitere Kohleförderung, Kernkraftwerke und ineffektive elektronische Geräte. Auf einen menschlich überschaubaren Zeitrahmen gespannt, sind erneuerbare Energiequellen wesentlich günstiger, da die Menge an Ressourcen die zur Instandhaltung notwendig sind nur einen winzigen Bruchteil dessen betragen, was bei der Aktivierung fossiler Brennstoffe umgesetzt wird. (Die ganze Subventionierung die momentan stattfindet, bezieht sich auf Forschung und Installationskosten.) Ferner schafft eine nachhaltige Bewirtschaftung natürlich mehr Arbeitsplätze und stellt gleichermaßen eine geringere Belastung für die Umwelt dar, von der wir nachweislich stärker abhängig sind als umgekehrt.

Packen wir's an
Ich habe in diesem Text bewusst keinen Konjunktiv verwandt. Dies drückt zum einen meine Überzeugung und akademische Bestätigung aus, dass der Report tatsächlich nicht mit Möglichkeiten, sondern belegten und Erfolg versprechenden Tatsachen operiert. Zum anderen äußert es meine Zuversicht auf ein Gelingen des durch energy (r)evolution vorgeschlagenen Nutzungskonzeptes. Wenn ihr noch immer an der Richtigkeit der hier dargebrachten Informationen zweifelt, beantwortet einfach folgende Frage: wenn ihr an euer Verhalten in Bezug auf die globalen Konsequenzen denkt, und an eure Anforderungen an eine lebenswerte Zukunft, wer erscheint euch dann eher vertrauenswürdig? Wem traut ihr umfassende Aufklärung und Sicherung eurer Zukunft zu? Euren Verwandten und Freunden, die sich vermutlich nicht ernsthaft und unter Einbeziehung aller zur Verfügung stehenden Daten mit diesem Thema auseinander gesetzt haben? Den Großindustriellen und Politikern, die euch mit Dr.-Best-Lächeln und den Worten "Wir machen das" die Verantwort und gleichzeitig die Möglichkeit zur Mitbestimmung aus der Hand nehmen? Oder erfahrenen Akademikern, die sich ihr Leben lang mit weltweiten Ursache-Wirkungs-Vernetzungen beschäftigt haben?

Der erste Schritt
Es geht hier nicht um eine finanzielle Spende an Umweltaktivisten, um den Verzicht auf Döner-Wettessen am Donnerstag, Bahn-Fernreisen oder die Verwendung von Energiesparlampen. Ihr müsst euch der Konsequenzen eurer Handlungen bewusst werden, eure globale Verantwortung erkennen und versuchen dementsprechend zu handeln. Das beinhaltet auch, bei kommenden Wahlen nicht daheim zu bleiben oder nach dem größtmöglichen unmittelbaren Vorteil zu entscheiden, sondern das Kreuz hinter jener Partei zu machen, die eurer tief empfundenen Meinung nach für eure Zukunft einsteht. Wem vertraut ihr euer Leben an?

Die abschließenden Worte stammen aus dem Lied "Erin" vom etwas älteren Solas-Album Waiting for an Echo. Der Titel ist zwar thematisch anders orientiert, trägt aber die gleiche Botschaft: "who is gonnna carry the blame?"

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