Goemon5: Blog Tagebuch

Goemon5 in Norway

Goemons Gruseliges Tagebuch

In dieser Ecke werde ich in unregelmäßigen Abständen (sobald ich eine Eingebung habe und über die Zeit verfüge dieser zu folgen) markante Erlebnisse meines bescheidenen Lebens niederschreiben.

 Die zeitliche Abfolge folgt übrigens den geologischen Regeln: die ältesten Daten befinden sich im liegenden (unten) und da die Geschichten teilweise aufeinander aufbauen, sollten sie von unten nach oben gelesen werden.
Texte von 2006 und 2007 befinden sich hier.

Q1/2 2006 Q3/4 2006 Q1/2 2007 Q3/4 2007 Q1/2 2008 Q3/4 2008 2009
Montag

27.7.2009

So Doof muss man sein ... oder lieber doch nicht?!

Ich habe schon diverse Leserbriefe an unsere Lokalzeitung geschrieben (Märkische Oder-Zeitung, MOZ). Zumeist nur, um Aufmerksamkeit zu heischen und meinen Namen im Tagesdruckwerk zu lesen. Hat leider nie funktioniert. Seit heute weiß ich auch warum: meine Briefe sind einfach zu intelligent geschrieben. Ein aktueller Leserbrief in der MOZ zeigt sehr deutlich, auf welcher Ebene man sich geistig nivellieren muss, um auf Seite zwei dieses Schmierblatts seine persönlichen acht Quadratzentimeter zu bekommen. Ich gebe jenen phantastischen Brief hier wortgetreu wieder und streue kleine Kommentare ein, um den gesellschaftlichen Hebelabsatz zu verdeutlichen.

Hier erstmal der Originaltext
Zitat:
Heuchelei wird teuer für uns alle
In alle Welt werden deutsche Soldaten zu Auslandseinsätzen von deutschen Politikern geschickt. Krokodilstränen werden geweint und Mitleid mit den Angehörigen gefallener Soldaten geheuchelt. Aber trainieren darf die Luftwaffe der Bundeswehr für diese Einsätze nicht, jedenfalls nicht in Wittstock. Nun müssen teurere Übungsplätze im Ausland herhalten. Politiker feiern die Aufgabe des Bombodrom als Freudentag. Welch eine Doppelmoral und Heuchelei.
René Darmützel, Schwedt
[Wer jetzt noch nicht weiß worum es geht: Vor zwei Wochen hat die Bundesregierung ihre Pläne für eine militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock (Brandenburg, Ost-Deutschland, Ex-DDR, Weisse Bescheid?!) fallen gelassen. Eigentlich wollte man dort auf internationalem Niveau Bombenabwürfe trainieren, aber die Anwohner fanden das eher weniger lustig und klagten gegen die Einrichtung des Bombodroms. Mehrmals. Mit Erfolg (auch mehrmals). Die Bundeswehr hat jetzt keine Lust mehr gegenzuklagen und macht Schluß mit Wittstock.]

Nun zur Detailanalyse
„Heuchelei wird teuer für uns alle“
Gut, die Überschrift hat vermutlich der Verantwortliche der MOZ verzapft. Reißerisch und unsachlich wie es sich für ein regionales Schmierblatt gehört. Herrlich! Wer schon mal ernsthaft informative Zeitungen gelesen hat, wird den unterstehenden Text vermutlich ignorieren. Aber ich dachte mir: „Ach, lies halt mal, kann ja auch lustig werden.“ Hat sich bewahrheitet.

„In alle Welt werden deutsche Soldaten zu Auslandseinsätzen von deutschen Politikern geschickt.“
Siehste, erster Satz fertig und schon drei Kalauer drin! Dass Soldaten für Auslandseinsätze in die Welt hinaus geschickt werden, sollte nicht einmal FDP-Wähler überraschen. Wenn man Bundeswehrsoldaten zum Auslandseinsatz nach Hamburg schickt, werden unsere militärischen Pfadfinder sicher stutzig. Auch dass deutsche Politiker die Befehlsgewalt über das deutsche Heer halten, sollte niemanden überraschen.
Der Satzbau spricht ohnehin für sich. Das hätte mein zehnjähriger Neffe nicht besser hinbekommen.

„Krokodilstränen werden geweint und Mitleid mit den Angehörigen gefallener Soldaten geheuchelt.“
Wenn Ober-Eumel Schäuble das liest, denkt er vermutlich an Antisemitismus. JaNee, is’ klar, Politiker sind gefühlskalte Automaten denen die Verluste deutscher Soldaten völlig am Lokus vorbeifegen. Dieser Afron korrespondiert übrigens ganz vorzüglich mit der reißerischen Überschrift und stellt wohl eine direkte Aufforderung zur Watschenausteilung durch allerlei Regierungsvertreter dar.

Dabei ist es derzeit für Politiker gar nicht so schwer, Tränen zu zeugen. Man denke nur an die horrenden Hinterbliebenenrenten die an Familien von gefallenen Soldaten zu zahlen sind. Da muss selbst Verteidigungsminister Jung leis’ weinen.

„Aber trainieren darf die Luftwaffe der Bundeswehr für diese Einsätze nicht, jedenfalls nicht in Wittstock.“
Bedenkt man, wie viele Kampfeinsätze die deutsche Luftwaffe jedes Jahr fliegt, macht das schon nachdenklich. Wie viele Bomben werden jährlich aus deutschen Flugzeugen geworfen? Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht so genau, tippe aber auf Zahl deutlich unter Zehn. Und dass beim Bomben-Zielwurf alles Üben nix hilft, beweisen uns die Amerikaner in jeder Schlacht aufs Neue. Die hatten immerhin ganz Irak als Zielgebiet und treffen auch jetzt noch immer mehr Zivilgebäude als Raketenstellungen. Peinlich!

Aber die Verirrungen unserer US-Freunde lassen sich durch unsere ehemaligen russischen Besatzer mühelos toppen. Die Wodka-Fetischisten nutzen das betroffene Militärgelände bereits vor Jahrzehnten für ihre bombastischen Übungen. Und obwohl sie nur Bomben-Dummies benutzten und das Versuchsgelände gut 14.000 Hektar mißt, gelang es ihnen doch, diverse Häuser zu beschädigen und sogar Flugzeuge abstürzen zu lassen.

„Nun müssen teurere Übungsplätze im Ausland herhalten.“
Ja genau! Was hat die deutsche Luftwaffe eigentlich vor den Verhandlungen um das Wittstocker Bombodrom gemacht? Kartoffelsäcke auf verschneite Felder geworfen? Klar scheint jedenfalls, dass deutsche Bomberpiloten jetzt, da Wittstock kein Thema mehr ist, vor lauter Scham ihre Übungen ins Ausland verlegen müssen. Vielleicht nach Grönland. Da gibt es auch Schnee. Und Kartoffeln kann man ja mitnehmen!

„Politiker feiern die Aufgabe des Bombodrom als Freudentag.“
17 Jahre haben sich die Bürger Wittstocks und Umgebung gegen das Bombodrom gewehrt. 27 Prozesse hat die Bürgerinitiative gegen die Pläne der Bundeswehr ausgefochten. Siebenundzwanzig Prozesse hat die Bundeswehr verloren und den Steuerzahler damit werweißwieviele Millionen Euro gekostet. Von dem Geld hätte man locker ein gutes Stück Grönland und fünf Kartoffeläcker kaufen können.

Ich bin erstaunt, dass die Bundeswehr überhaupt so ausdauernd gegen die unzerbrechliche Wand der Justiz gelaufen ist. Den meisten Leuten wäre vermutlich schon nach zehn Absagen die Lust vergangen. Nicht so dem Verteidigungsministerium. Die Jungs brauchten 27 Anläufe (und eine Großfamilienpackung Aspirin) um ihre Niederlage zu erkennen.

„Welch eine Doppelmoral und Heuchelei.“
Ob die Politiker sich nun freuen oder nicht, das Bombodrom ist weg und es kommt nimmer mehr zurück. Und die meisten Politiker sind ohnehin mehr wert, wenn sie die Mundwinkel gen Himmel ziehen. Zudem soll man täglich einmal herzhaft lachen, sagt der Arzt. Weinen hingegen steht weniger im Ruf der Gesundheit zuträglich zu sein.

Der einzige Traurige im Bunde dürfte ohnehin Verteidigungsminister Jung sein. Der kann dafür aber zukünftig regelmäßige Grönland-Reisen als geschäftliche Flüge abbuchen. Hat ja auch was für sich. Aber nicht die Kartoffeln vergessen!

Ja, René Darmützel aus Schwedt, herzlichen Glückwunsch! Du bist eindeutig der Ober-Honk des Tages und hast dir mit dieser lächerlichen Zuschrift deinen Platz auf der Leserbriefseite der MOZ redlich verdient. Jetzt hör aber auf zu heucheln und kauf dir ein paar Kartoffel-Aktien. Ich hab’ das Gefühl, dass die in den nächsten Monaten enorm an Wert zulegen werden.

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