In dieser Ecke werde ich in unregelmäßigen Abständen (sobald ich eine Eingebung habe und über die Zeit verfüge dieser zu folgen) markante Erlebnisse meines bescheidenen Lebens niederschreiben.
Die zeitliche Abfolge folgt übrigens
den geologischen Regeln: die ältesten Daten befinden sich im liegenden
(unten) und da die Geschichten teilweise aufeinander aufbauen, sollten
sie von unten nach oben gelesen werden.
Texte von 2006 und 2007 befinden sich hier.
Donnerstag
27.11.2008 |
Terror vor der TürAls Nicht-Indienkenner kann man sich Mumbai wohl etwa als indisches Bayern vorstellen, nur mit mehr Kühen und dichterer Besiedlung. Eine von Traditionen und Religion geprägte Region sieht sich plötzlich mit Massentourismus und technischer Revolution konfrontiert. Daher stehen zwischen Tempeln, Rikschaparkplätzen, prächtigen Altbauten und einfarbigen Neubauwohnungskomplexen inzwischen auch Bürogebäude und Hotelanlagen, was die Stadt zu einem stilistisch sehr eindrucksvollen Potpourri macht. Von hier stammt auch ein guter Teil der IT-Experten, die als Exportschlager in die ganze Welt verschickt werden. Bei allem Prunk bleibt Indien jedoch Hort einer sehr zerrissenen Gesellschaft, denn während in kleinen Softwarebüros Turban-Tragende Bill-Gates-Klone ausgebildet werden, sitzen zehn Kilometer entfernt zwei alte Männer fast unbekleidet am Straßenrand und hoffen auf eine Brotspende, weil sich sonst niemand um sie kümmert. Am Mittwochabend wurde diese strukturelle Armut durch eine Serie scheinbar koordinierter Anschläge verdeutlicht. Nahezu gleichzeitig überfielen Terroristen die Luxushotels Taj Mahal und Oberoi/Trident, das Touristen-Café Leopold, Krankenhäuser, einen Bahnhof und das jüdische Zentrum. Die Angreifer setzten mit Booten nach Mumbai über und attackierten genannte Ziele mit Schnellfeuergewehren und Handgranaten. Bis die Aggressoren durch indische Eingreiftruppen erschossen werden konnten, töteten sie mehr als 125 Menschen und verletzten über 300. Noch immer sind über 100 Menschen in den Gebäuden gefangen, einige von ihnen in der Hand von Terroristen. Und noch immer brennt das Taj Mahal. Nun könnte man meinen, dass die Anschläge irgendwie mit dem unheilschwangeren Altnamen Bombay verbunden wären, der sich allerdings auch nur aus dem portugiesischen Bom Bahia (Gute Bucht) ableitet. Oder, dass sich hier Hass auf pro-westliche Staatsgeschäfte manifestiert. Die Wahrheit ist wieder einmal viel unverständlicher und siedelt fernab jedes reellen Konflikts. Bislang bekannte sich nur die bis dahin unscheinbare muslimische Gruppe Deccan Mudschaheddin zu den Tötungsdelikten. Einige von ihnen fordern Gespräche über angebliche Tötungen von muslimischen Kashmir-Bewohnern durch die indische Armee, aber die allgemeine Aussage der Deccan Mudschaheddin ist weiterhin unklar. Auf jeden Fall geht es um den Islam und seine fehlgeleiteten Jünger, soviel kann selbst ich aus dem Namen herauslesen. Der Gefahr ist demnach nicht mit Vernunft zu begegnen. Dieser idiotische Konflikt zwischen Hindu und Islam ist doch aber genau der Grund, weshalb es damals zur Abspaltung von Pakistan kam. Warum können die Bombenleger nicht einfach daheim bleiben und ihre eigenen Familien in die Luft sprengen, warum trifft es immer die Nachbarn? Einige Muslime beschweren sich sogar, sie wären durch den wirtschaftlichen Aufschwung Indiens benachteiligt worden, weil man ihnen die wichtigen Jobs generell verwehren würde. Aber wer hätte schon gerne einen schwer bewaffneten Fundamentalisten im Betriebsrat sitzen? Und wie hoffen Islam-Anhänger gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt zu erlangen, wenn sie fünfzig Prozent ihres Volkes aufgrund geschlechtlicher Differenzen vom öffentlichen Leben ausschließen? Aus offiziellen Quellen tönen die Klagerufe besonders laut gen Osten, da die meisten Terroristen aus Pakistan einreisen. Tatsächlich bietet Indien aber selbst genügend Nährboden für fundamentalistische Gewaltprediger, was sich vermutlich nicht ändern wird, solange die Moscheen so gut besucht werden. Nach bisherigem Kenntnisstand ist auch Deccan Mudschaheddin tief im Land der heiligen Kühe verwurzelt und die Brutalität und Entschlossenheit mit der die Glaubenskrieger vorgingen macht deutlich, dass zwischenmenschliche Gewalt erneut die Dimensionen eines 9/11 erreicht haben. Die öffentliche Exekution war ihnen dabei völlig egal, die Täter hatten sich bewusst nicht vermummt und griffen gezielt gut besuchte Ziele mit hohem Ausländer-Aufkommen an, um die maximale Aufmerksamkeit aller Medien auf sich vereinen zu können. Umso verständnisloser sehe ich daher ein Ausbleiben jeglicher Offener Drohungen oder die Ankündigung weiterer Attentate, falls die Welt nicht endlich , tja, dem Mohammed preisen würde oder Gebetshäuser im Hinterhof baut oder Toilettenpapier mit Jesus-Banderole im Andenkenladen der Hamas einkauft. Statt konkreter Verbesserungswünsche gibt es nur vage Andeutungen auf Krawalle im Kashmir. Wer soll denn unter diesen Bedingungen ein vernünftiges Krisenmanagement aufbauen? Klar ist Kashmir Brennpunkt schwerer bewaffneter Konflikte, hier kommt schließlich das Beste aus drei Ländern zusammen. China will das Monopol über die berühmte Kaschmirwolle, Indien war jedoch zuerst da und Pakistan will einfach nur das haben, was sonst Indien gehören könnte. In Zeiten des kalten Krieges hätte man die Region einfach zerrissen und gerecht an USA und Russland aufgeteilt, aber diese Gerichtsbarkeit ist leider vorbei. So nun treten sich drei Nationen und dreihundert Glaubensgemeinschaften die Schädel ein und am Ende steht doch nur das Leid der Zivilbevölkerung. In Zeiten von Marktverwerfung und Internetpolizei muss so etwas wirklich nicht sein! Ich fordere alle strengen Islamisten daher zum Dialog mit dem vermeintlich ungebildeten Volk auf, um Entgleisungen wie gestern in Indien zu vermeiden. Aus gegebenem Anlass will ich meine Worte heute nicht mit einem Zitat schließen, sondern verweise stattdessen auf den Oscar-trächtigen Film Gandhi (1982) verweisen, worin Ben Kingsley und Richard Attenborough die ersten unabhängigen Schritte der zwiespältigen gewalttätigen Geschichte beider Länder aufzeichnen. |

